Freitag, 13. März 2015

Nach(t)spiel

Sonntag Nacht fuhr ich mit dem Buick über Land Richtung Halle. Der erste richtig warme Tag in diesem Jahr war vorüber und die Straßen waren nun, wo es in Richtung Mitternacht ging, nahezu leer.
Der Mond stand gleißend am Firmament und tauchte alles in ein kühles Licht. Schlagschatten der Bäume auf dem Asphalt.
Schöne Stimmung.
Habe die Instrumentenbeleuchtung runtergedimmt. Das Radio war sowieso aus und nur der Motor grummelte fast schon gelangweilt das Lied vom Hubraum in seinem Drehzahlkeller vor sich hin. Das Fenster ist runtergefahren und die einströmende Luft roch tatsächlich schon etwas nach Frühling. Aber die Temperatur zeigte doch, daß es noch nicht soweit ist. Auch egal, denn ich für meinen Teil mag den Winter ebenso. Den Kragen der Jacke hochgeklappt und das Fenster unten gelassen.
Vorhin hielt ich noch an der Tankstelle und habe wieder etwas Treibstoff nachgefüllt. Ich bin gerne Nachts an der Tankstelle. Es ist wenig los und es wirkt wie eine hell erleuchtete Insel im Nichts. Ein fast schon beruhigender Hort der Zivilisation mit ihren Annehmlichkeiten in einem ruhendem Land. Etwas tanken, noch eine Zeitschrift kaufen, eventuell auch was zu trinken, zu knabbern, kurz mal nach dem Triebwerk sehen und wieder rauf auf die Bahn.
Wir waren den ganzen Tag unterwegs. Wir, das heißt meine Freundin, das Auto und ich. Viel gefahren, Dinge gesehen, Leute und Freunde getroffen.
Es ist spät geworden, wie immer wenn wir unterwegs sind.
Eben habe ich sie bei ihr zuhause abgesetzt und dieses "eben" ist auch schon wieder zwei Stunden her. Einen Anhalter hatte ich auch aufgegabelt und nach Hause gebracht.
Lag ja auf dem Weg irgendwie. 19 Jahre alt, ihm eine Stunde Fußmarsch erspart hat er gesagt. Sah glücklich aus und ein bissel verängstigt. Beim aussteigen gab es ein Danke und ein "sowas will ich auch irgendwann mal haben".
Ob´s stimmt? Schön wäre es ja. Wünschen es ihm das er dabei bleibt.
Ob ich dies was ich hier gerade mache in 10 Jahren noch machen kann? Wer weiß was bis dahin alles verboten ist.
Komisch. Es ist wunderbar gerade und doch bin ich etwas betrübt. Wenn ich über sowas nachdenke fühle ich mich fremd. Für mich ist das kein Hobby. Kein Wochenendspaß. Mir würde wirklich was Elementares fehlen wenn ich die alten Dinger nicht mehr fahren dürfte.
Jetzt sitze ich hier und mache schon aus einer simplen Fahrt zur Halle eine Reise. Ich mußte am nächsten Tag auch arbeiten. Aber das war gerade nicht wichtig.
Bin entspannt und habe Ruhepuls.
Ab und an kam mir ein Auto entgegen. Scheinwerferlicht zitterte durch die Bäume, huschte dann vorbei und verschwandt im dunkeln. Sie rasen durch die Nacht. Ob die überhaupt mitbekommen wie das gerade hier draußen ist?
Hmmm, vermutlich ist es ihnen egal.
Mein Blick fällt auf den Tacho. 40 Meilen. Bummel vor mich hin. Hänge meinen Gedanken nach und genieße die Fahrt.
DA! Da läuft was über die Straße!
Ich muß voll in die Eisen, die Räder blockieren, rutsche etwas quer ab. Zu spät. Es läuft einfach weiter und verschwindet unter dem Wagen... Mist.
Der Wagen steht.
Ich steige aus, es riecht nach verbranntem Gummi. Qualm wabbert durch den Lichtkegel der Scheinwerfer. Was war das. Ein Hase? Kaninchen? Katze?

Bevor ich mich bücke, kommt eine Bisamratte unter dem Wagen hervor und geifert mich böse an. Aha, wohl nix passiert.
Sie scheint erbost. Ganz schön groß und ganz schön dreißt noch dazu. Ich kann nicht anders und schimpfe sie aus.
Sie glotzt mich verdutzt an, dackelt weiter Richtung Felder und wirft mir noch einen mißmutigen Blick zu.
So eine blöde Gans! Hat keinen Dunst was für ein Glück sie hatte...

Jetzt stehe ich da.
Mitten auf einer Landstraße in tiefster Nacht im Nirgendwo.
Richtig schön hier. Links und rechts befinden sich Felder, an deren Ende sich ein Wald erhebt. Hinten am Waldrand schmiegt sich ein kleines, schiefes Fachwerkhaus an den schutzbietenden Forst. Kein Licht in den Räumen, Rauch steigt aus dem Schornstein. Wirkt sehr friedlich das Ganze.
Die schwarzen Streifen der Vollbremsung sind im Mondlicht gut auf dem Asphalt zu sehen. Hmmm, sind ungleichmäßig. Ihr Gummigeruch liegt noch in der Luft. Ebenso der von Benzin und heißem Öl.
Der Motor blubbert stoisch vor sich hin und ich muß grinsen. Was hätte der texanische Erstbesitzer wohl dazu gesagt, wenn man ihm erzählt hätte, das sein Wagen 52 Jahre später im kleinen Deutschland, am anderen Ende der Welt, nach ein Vollbremsung wegen einer Bisamratte nachts auf einer Landstraße steht und der Kraut sich mit genau jener "streitet"?

Seltsamer Gedanke.
Hätte er gebremst?
Vermutlich hätte er sich gefragt wie man mit so einem großen Auto überhaupt hier fahren kann - sofern er Deutschland überhaupt gekannt hätte, hihi.

Ich setze mich wieder rein, werfe die schwere Tür ins Schloß und lege den Hebel aus kühlem Metall in Position D, spüre den leichten Ruck im Gebälk und registriere das abschwellen des Leerlaufes auf unter 500 Umdrehungen, welches mir anzeigt, daß alles zum Vortrieb bereit steht. Ich gebe zart Gas und fahre unter dräuendem Grollen wieder weiter in die klare Nacht hinein.
Wo bin ich hier eigentlich?
Oh, ein ganzes Stück noch von der Halle weg.
Werde wohl unterwegs nochmal an einer Tanke halt machen.








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