Montag, 21. März 2016

Sind sie mit dem hierher gefahren?

Sind sie mit dem hierher gefahren?
Geil, oder? Also der Spruch steht auf der Hitliste der blöden Fragen doch ganz oben. Habe ich tatsächlich schon diverse mal zu hören bekommen und ich wundere mich jedesmal auf´s neue darüber.
Das geilste war eine Begegnung auf einem Aldiparkplatz in Kärnten (Österreich). Wärend ich nach dem Einkauf die Türe meines 63er Käfer aufschloß, dackelte ein anderer Urlauber um mein Vehikel und mich herum. Ein Blick auf das Nummernschild und schon platzte es aus ihm herraus: "Mönsch aus Köln? Sind sie mit dem hierher gefahren?"
?????
" Ne, den habe ich auf dem Rücken über die Alpen getragen."
Ja, wie den sonst soll der hierher gekommen sein, außer durch eigene Fortbewegung?
Ich weiß ja, daß die Leute nur eine Einleitung zu einem Gespräch haben wollen. Aber wenn der Spruch kommt, dann ist da in der Regel echte Überraschung in der Stimme.
Da stelle ich mir schon die Frage, was die so denken bzw. was sie vermuten. Ich streite ja garnicht ab, daß die sich über das Auto/Krad freuen. Aber offensichtlich ist es für die absolut unbegreiflich, daß sich sowas überhaupt bewegt und dann auch noch so weit ohne auseinander zu brechen. Das Ding steht ja auch mit allen vieren auf der Straße. Hat ein Lenkrad, Bremsen, einen Motor und dankenswerterweise einen Sitz für meine Wenigkeit damit ich nicht mit dem Hintern auf dem Bode sitzen muß.
Bei einem uralten, mit Stoff bespannten Holzflugzeug aus den 10er Jahren des vorigen Jahrhunderts könnte ich so eine Frage auch noch nachvollziehen. Aber bei einem Nachkriegsauto? Ich muß doch keinen ominösen Vodoozauber anwenden damit das Ding fährt.
Naja, es gibt diesbezüglich halt viele Dinge die ich ich mir nicht erschließen.
Manche Argumentationsketten sind ja auch recht brüchig. Mein eigenen Anverwandten schlagen gerne mal in die Kerbe. Wann ich mir denn mal was "Vernünftiges" zulegen würde.
Wutt? Wie meinen? Was soll denn das dann bitte sein? So ne Neuwagenwanze per Leasing? Irgend einen tollen Golf 3,4,5,19? Wenn die sowas von sich geben, könnte man meinen, die haben mich vor 10 Minuten zum ersten mal kennengelernt.
Die kapieren einfach nicht, daß ich das so will. Die verstehen nicht, daß ich ihre neuen Karren nicht scheiße finde weil ich sie mir nicht leisten kann, sondern weil ich sie einfach scheiße finde!
Zudem finde ich einen Neuwagen herzerfrischend unvernünftig.

Für manche Menschen ist ja alles (technische) was älter als 5 Jahre ist, direkt kaputt, gefährlich, teuer und umweltschädlich. Auch wenn die Karre vor 5 Jahren noch jeden Crashtest, jede noch so Hirnverbrannte Abgashürde überwunden hat - für den Führerscheinnachwuchs eine absolut unzumutbare Kiste. Da kann man ja gleich mit zwei Uranstäben in der Hand vom Haus runter springen.
Klar, da ist eine Fahrzeug mit etwas mehr auf dem Buckel in dieser neurotischen, ökologisch Korrekten Wegwerfsekte (*Gesellschaft) natürlich so abstruß und unbegreiflich ist, wie es vermutlich Tarnklamotten für die Preußische Armee gewesen wären. Da waren Selberdenken und ein freier Wille allerdings auch eine äußerst unerwünschte Eigenschaft - die Paralelen zum Neuwagenmieter sind erfrischend ersichtlich, bemerke ich gerade, hehehe.

Als ich das letzte mal mit dem Buick bei mir losfahren wollte, kam gerade mein Nachbar vorbei und sagte im Vorbeigehen sinngemäß, daß es mir noch die passenden Klamotten dazu fehlen würden. Ich müsse(!) noch so Rock´n´Roll Sachen tragen.

?

Davon mal abgesehen, daß ich den Rock´n´Roll Kram zum speien finde, fand ich die Aussage schon ordentlich Bemerkenswert. Die Karre ist schonmal geschmeidig aus den 60ern. Darin sieht man in 50er Jahre Frise und Kleidung bestimmt ordentlich deplaziert aus. Aber wieso sollte ich die "passenden" Sachen zum Auto tragen? Ich mache hier ja keine Museumsfahrt oder betreibe eine Zeitgenössische Ausstellung. Und ich bin auch nicht auf Zeitreise. Ich weiß nicht wie es sich angefühlt hat in den 60ern zu leben.
Ich finde nur das Auto geil.
Ich fahre einfach gerne alte Fahrzeuge. Für mich. Jeden Tag. Nichts weiter.
Klar, ich mag auch alte Anziehsachen, aber die sind aus einer völlig anderen Dekade.
Auf einem Motorrad kann ich den Kleidungsgedanken nachvollziehen. Auf einer 30er Jahre Maschine mit Papageienkombi zu sitzen....das wäre schon etwas Arsch. Aber da bilden Krad und Fahrer ja auch eine Einheit, da macht die Optik schon einen ästhetischen Sinn.

Verblüffend sind auch die Reaktionen wenn so gänzlich Unbedarfte mal im alten Eisen mitfahren. Nach der obligatorischen Frage nach den Gurten (in meinem Fall nur als Beckenvariante) und der danach folgenden anschwellenden leisen Panik, sind maßloses Erstaunen angesagt ob der Dinge wie elektrische Fensterheber oder der Servolenkung als Beispiel. Wahaaas? Sowas hatten die damals schon?
Das können die garnicht glauben und denken oft, ich hätte das eingebaut. Vermutlich glauben die, ich muß mein Benzin an der Apotheke holen. So wie früher - also das "früher", als es eigentlich noch keine Autos gab. Zeitgenössisch halt.  
Früher gab es ja auch keinen Strom. Und gejagt hat man früher ja auch mit Pfeil und Bogen. Und vor 20 Jahren, also früher, hat man seine Autos ja auch morgens noch mit der Kurbel angeworfen...
Elektrische Fensterheber, Licht und Reifen gibt es ja schließlich erst seit gut 6-7 Jahren oder so. Schließlich ist der zweite Weltkrieg ja auch erst 15-20 Jahre her. Und in den ollen s/w Aufnahmen (Analog, man stelle sich vor), sieht man ja auch nur so alten Kram.

Wie gesagt, ich kann das alles nicht nachvollziehen. Muß ich zum Glück auch nicht.
Manchmal fühle ich mich einfach nur noch müde.


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